Ausgangslage: Eine Insolvenz kann bei Zahlungsunfähigkeit, drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung sowohl über das Vermögen des Arbeitgebers (Versicherungsnehmer) oder des Arbeitnehmers (versicherte Person) eröffnet werden. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist öffentlich bekannt zu machen und entfaltet dadurch bereits seine Wirkung. Die Insolvenzgerichte der Bundesrepublik Deutschland veröffentlichen die Bekanntmachungen, die vorzunehmen sind, wenn ein Insolvenzverfahren bei Gericht beantragt worden ist.
Welche Auswirkungen ein bestehendes Insolvenzverfahren auf die Versicherungsverträge der betrieblichen Altersversorgung entfaltet, ist abhängig von folgenden Faktoren:
- Wer ist insolvent (Arbeitgeber oder Arbeitnehmer)
- Durchführungsweg
- Stellung des Arbeitnehmers
- Vereinbartes Bezugsrecht
- Status der Versorgung (Ansparphase oder Leistungsphase)
Besonders wichtig ist die Ausgestaltung des Bezugsrechts bzw. das Vorhandensein einer Verpfändung zugunsten der versicherten Person.
Die verschiedenen Konstellationen und die Auswirkungen einer Insolvenz sind in den folgenden Ausführungen beschrieben.
1 Direktzusage
a) Der Arbeitgeber hat eine Rückdeckungsversicherung abgeschlossen und diese ist nicht an den Arbeitnehmer verpfändet:
- Die Versicherung fällt in die Insolvenzmasse, da sie zum Vermögen des Arbeitgebers zählt. Mitarbeiter sind jedoch durch den Pensionssicherungsverein (PSVaG) im Rahmen der Höchstgrenzen gemäß § 7 Abs. 3 BetrAVG geschützt.
b) Der Arbeitgeber hat eine Rückdeckungsversicherung abgeschlossen für die der PSVaG eintrittspflichtig ist (Arbeitnehmer und GGF mit Arbeitnehmer-Status). Es besteht eine Verpfändung zugunsten des Arbeitnehmers.
- Ansprüche und Anwartschaften des Arbeitnehmers gehen gemäß § 9 Abs. 2 BetrAVG auf den PSVaG über
- Pfandrecht des Arbeitnehmers geht auch auf den PSVaG über (Wechsel des Pfandgläubigers)
2 Unterstützungskassen-Zusage
Es gilt § 9 Abs. 3 BetrAVG. Bei Versorgungen für die der PSVaG eintrittspflichtig ist (Arbeitnehmer und GGF mit Arbeitnehmer-Status) hat dieser einen Anspruch auf den Teil des Vermögens der Unterstützungskasse, der auf das Unternehmen entfällt, welches insolvent geworden ist.
In der Praxis wird die bestehende Rückdeckungsversicherung von der Unterstützungskasse auf den PSVaG als Versicherungsnehmer übertragen.
Wichtig:
Mit Einführung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes wurde im BetrAVG der § 8 Abs. 3 eingeführt. Danach können Versorgungen, für die der PSVaG eintrittspflichtig ist, auf diesen oder den Versorgungsanwärter übertragen werden, wenn die Versorgungszusage auf die Leistungen der Rückdeckungsversicherung verweist (beitragsorientierte Leistungszusage). Der PSVaG klärt den Anwärter (versicherte Person) über die Wahlmöglichkeit auf. Der Versorgungsanwärter kann innerhalb von 6 Monaten seine Wahl treffen. Entscheidet sich der Versorgungsanwärter für eine Übertragung auf ihn als Privatperson, stellt die Übernahme der Versicherung einen lohnsteuerlichen Zufluss dar. Der Vorgang wird jedoch zum Zeitpunkt der Übertragung steuerfrei gestellt. Die späteren Versorgungsleistungen gehören dann zu den sonstigen Einkünften im Sinne des § 22 Nummer 5 Satz 1 EStG und unterliegen der nachgelagerten Besteuerung, soweit sie auf Beiträgen beruhen, die bis zur Übernahme der Versicherung geleistet wurden.
3 Direktversicherung oder Pensionskassen
3.1 Zusage befindet sich in der Leistungsphase (Arbeitnehmer bezieht Leistungen):
Der Arbeitgeber hat eine Direktversicherung oder einen Pensionskassenvertrag abgeschlossen. Der Arbeitnehmer bezieht Versorgungsleistungen.
- Die Leistungen fallen nicht in die Insolvenzmasse und werden weiterhin an den Rentner erbracht
3.2 Zusage befindet sich in der Anwartschaftsphase (Arbeitnehmer bezieht noch keine Leistungen):
a) Der Arbeitgeber hat eine Direktversicherung oder einen Pensionskassenvertrag abgeschlossen. Der Arbeitnehmer hat ein widerrufliches Bezugsrecht.
- Ansprüche fallen in die Insolvenzmasse
b) Der Arbeitgeber hat eine Direktversicherung oder einen Pensionskassenvertrag abgeschlossen. Der Arbeitnehmer hat ein unwiderrufliches Bezugsrecht.
- Versicherung fällt nicht in die Insolvenzmasse
- Arbeitnehmer hat ein Aussonderungsrecht (§ 47 InsO), eine Verfügung des Arbeitnehmers ist aber nicht möglich
c) Der Arbeitgeber hat eine Direktversicherung oder einen Pensionskassenvertrag abgeschlossen. Der Arbeitnehmer hat ein eingeschränkt unwiderrufliches Bezugsrecht.
- Versicherung fällt in die Insolvenzmasse, sofern beim Dienstaustritt keine unverfallbaren Ansprüche gemäß BetrAVG vorliegen
Achtung: In diesem Fall besteht bis zum Erreichen der Unverfallbarkeit derzeit eine unklare Rechtslage:
Laut BGH fällt ein insolvenzbedingtes Ausscheiden nicht unter den Vorbehalt, mit der Folge, dass der Arbeitnehmer beim Ausscheiden ein unwiderrufliches Bezugsrecht erlangt und damit ein Aussonderungsrecht erwirbt. Laut BAG fällt ein insolvenzbedingtes Ausscheiden unter den Vorbehalt, mit der Folge, dass die Versicherung in die Insolvenzmasse fällt.
Besonderheiten beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer bei Insolvenz des Arbeitgebers
1 Direktzusage:
a) Der Arbeitgeber hat eine Rückdeckungsversicherung abgeschlossen und diese ist nicht an den GGF verpfändet:
- Versicherung fällt in die Insolvenzmasse
b) Der Arbeitgeber hat eine Rückdeckungsversicherung abgeschlossen und diese ist an den GGF verpfändet und die Pfandreife (Zeitpunkt, ab dem die Leistung der Zusage fällig wird) ist noch nicht eingetreten:
- Insolvenzverwalter hat das Einziehungsrecht (§ 80 InsO; BGH IX ZR 138/04) und kann die Versicherung kündigen
- Insolvenzverwalter muss den Rückkaufswert hinterlegen (§§ 191 Abs. 1, 198 InsO)
c) Der Arbeitgeber hat eine Rückdeckungsversicherung abgeschlossen und diese ist an den GGF verpfändet und die Pfandreife ist eingetreten:
- Versicherung fällt nur für die Teile in die Insolvenzmasse, deren Teile der Leistung höher sind als der Leistungsanspruch des GGF
- Einziehungsrecht obliegt dem Pfandgläubiger (GGF)
2 Unterstützungskasse:
Die Rechte aus der Versicherung sollten immer an den GGF verpfändet sein. Dadurch fällt diese nicht in die Insolvenzmasse. In der Praxis wird die bestehende Rückdeckungsversicherung von der Unterstützungskasse auf die versicherte Person übertragen.
Wichtig: Schriftformerfordernisse
Im Rahmen der Insolvenzsicherung sind entsprechende Gesellschafterbeschlüsse für die Erteilung der Zusage und den Abschluss von verpfändeten Rückdeckungen notwendig. Zudem muss die Verpfändung dem Versicherer angezeigt werden. Darüber hinaus können Zusagen steuer- und insolvenzrechtliche Vorbehalte enthalten, die dem Insolvenzverwalter erlauben, sogar die verpfändete Rückdeckungsversicherung zu verwerten (Akzessorietät des Pfandrechts). Dies ist im Einzelfall zu prüfen.
Statuswechsel:
Bei einem Wechsel des Status vom Arbeitnehmer zum GGF ist darauf zu achten, dass alle arbeitsrechtlichen Dokumente (Ausgestaltung des Bezugsrechts, Verpfändung, Gesellschafterbeschluss) entsprechend anzupassen sind und der Schriftform bedürfen.
Achtung: Neues Urteil des BGH vom 01.10.2019 (II ZR 386/17)
Es wurde entschieden, dass mehrere minderbeteiligte GGF, die zusammen ≥ 50 % der Anteile an einem Unternehmen halten, nicht mehr dem Schutzbereich des BetrAVG und damit nicht der gesetzlichen Insolvenzsicherung unterliegen. Bei einer Beteiligung eines GGF von mindestens 50 % folgt ebenfalls keine Insolvenzsicherung.
Hinweis: Trotz sorgfältiger Prüfung kann eine Gewähr für die Richtigkeit der Inhalte nicht übernommen werden. Haftungsansprüche sind ausgeschlossen